Kulturflatrate

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Eine Kulturflatrate (→WP), auch Content-Flatrate oder P2P-Steuer genannt, ist eine vorgeschlagene Zwangsabgabe auf Internetzugang und Hardware. Im Gegenzug zu ihrer Einführung soll das „Tauschen“ (d.h. das Kopieren und Verbreiten) von proprietärer Musik und proprietären Filmen zu privaten Zwecken legalisiert werden.

Hintergrund der Forderungen ist zum einen das drohende Schreckensszenario des DRM (Digital Restriction Management), zum anderen die Klagen der Musikindustrie gegen Nutzer von Tauschbörsen. Beide Probleme sollen durch die Kulturflatrate abgewendet werden.

Für die Einführung der Kulturflatrate in Deutschland setzen sich bekannte Gruppen ein, wie z.B. Wizard of OS, der Chaos Communication Club, die Grüne Jugend, Attac usw.

In Frankreich wurde Anfang 2006 die Einführung einer Kulturflatrate unter dem Namen „Generallizenz“ (licence globale) diskutiert. Im Gespräch war eine Gebühr von ca. 7 € monatlich, die über Verwertungsgesellschaften an Autoren und Künstler verteilt werden sollte. Mittlerweile ist dieser Vorschlag jedoch offiziell wieder vom Tisch [1] [2].

Eine lose verwandte Idee war die von der GEMA propagierte Zwangsabgabe auf CD-Rohlinge in Höhe von 2,50 € pro Stück ohne Gegenleistung.

Bezug zum Thema

Durch das Aufkommen von CD-Brennern, Internet-Zugängen und Kompressionsalgorithmen Ende der 1990er Jahre verfügen immer mehr Menschen über die Möglichkeit, sich gegenseitig Musik und Kinofilme zu kopieren. Diese Möglichkeit bestand zwar bereits seit der Einführung von analogen Tonbandgeräten und Videorekordern, jedoch nahm dabei die Qualität von Kopie zu Kopie ab, was bei digitalen Kopien nicht mehr der Fall ist. Dem Kopieren und Verbreiten steht jedoch das Urheberrecht bzw. Copyright entgegen, dem zufolge nur der Inhaber der ausschließlichen Rechte ein Werk kopieren und verbreiten darf. Dieser Rechteinhaber ist bei veröffentlichten Werken üblicherweise der Verlag. Durch die zunehmenden Möglichkeiten der (gegenseitigen) „Selbstversorgung“ und die Verbreitung neuer Trends über das Internet verlieren solche „Mittelsmänner“ jedoch an Bedeutung bzw. werden ganz überflüssig.

Es ergibt sich somit eine Analogie zu proprietären Computerprogrammen:

Im Normalfall dürfen proprietäre Filme und Musikstücke nicht öffentlich wiedergegeben werden. Eine Benutzung zu beliebigen Zwecken ist somit nicht möglich. Desweiteren ist das Verändern nicht erlaubt und auch nicht das Kopieren und Verbreiten. Die Rechtslage erzwingt somit ein unsoziales Verhalten, nämlich etwas nicht mit anderen gemeinsam zu nutzen, obgleich es keine Schwierigkeiten bereiten würde.

Daraus ergeben sich drei Lösungsstrategien:

  • Strategie A besteht darin, analog zu Freier Software Freie Musik und Freie Filme zu veröffentlichen. Hierdurch können bei neuer Musik bzw. neuen Filmen die rechtlichen Probleme von vornherein ausgeschlossen werden. Ebenfalls könnte durch solche Werke eine Kultur der Teilnahme wiederbelebt, d.h. die strikte Trennung in Produzenten und Konsumenten aufgehoben werden. Die Probleme der älteren Werke werden jedoch nicht gelöst. Diese können nämlich nicht einfach so durch andere Werke ersetzt werden, wie es bei Computerprogrammen möglich ist.
  • Strategie B besteht darin, sich bewusst über das Urheberrecht bzw. Copyright hinwegzusetzen und proprietäre Werke zu kopieren und zu verbreiten. Da dies bereits Millionen von Menschen tun, ist eine Strafverfolgung sämtlicher Teilnehmer zumindest mit rechtsstaatlichen Mitteln längst nicht mehr möglich. Diese Strategie ist jedoch ebenfalls problematisch: zum einen handelt man formell illegal und riskiert Konflikte mit dem Gesetzgeber, zum anderen kann diese Möglichkeit durch technisch/gesetzgeberische Maßnahmen (die meist im Paket kommen, da technische Maßnahmen allein meist leicht umgangen und gesetzgeberische Maßnahmen allein meist ignoriert werden können) zumindest erschwert werden. Die Content-Industrie hat bereits in der Vergangenheit durch Einflussnahme auf die Gesetzgebung Steuern und technische Verstümmelungen an DAT-Rekordern durchgesetzt. Momentan sind Verstümmelungen an Computer-Hardware (DRM) im Gespräch, durch welche die Freiheit zukünftiger Computer-Nutzer stark eingeschränkt werden könnten.
  • Strategie C besteht darin, auf eine völlige Aufhebung künstlicher Knappheit durch die Abschaffung entsprechender Gesetze. Durch eine völlige Abschaffung von Urheberrecht bzw. Copyright gäbe es nur noch mehr oder weniger Freie Filme und Freie Musik (allerdings nicht unbedingt ganz frei gemäß den vier Freiheiten, da z.B. das Verändern durch Geheimhalten des „Quellcodes“ immer noch stark erschwert werden könnte). Diese Strategie dürfte gesamtgesellschaftlich am viel versprechendsten sein, jedoch in Hinblick auf die enorme Lobbymacht der großen Medienimperien kurz- und auch mittelfristig extrem schwer durchzusetzen sein.

Im Bezug auf das FG-Thema sollte die Kulturflatrate im Hinblick auf diese Strategien bewertet werden.


(ab hier Text entwursteln)

Kritikpunkte

Pro

  • Bisher gibt es keine (großartig etablierte) Alternative zur Content-Industrie. Netlabels u.ä. führen eher ein Nischendasein.

Contra

  • Ungerechtigkeit: Computer, Medien und Internet können für verschiedenste Dinge verwendet werden. Diejenigen, die keine oder nur wenig Musik und Filme „tauschen“, müssen dennoch voll bezahlen.
  • Verteilung der Gelder: Aus dem Vorschlag geht nicht hervor, an wen die Gelder ausgezahlt werden sollen. Möglicherweise geht ein Großteil der Einnahmen an die Musik- und Filmverlage und nicht an die schöpfrisch Tätigen selbst.
  • Kompensation unnötig: Nur die wenigsten Musiker verdienen direkt am Rechtehandel, sondern hauptsächlich die Verlage. Die meisten Musiker finanzieren sich durch Konzerte, Musikunterricht oder völlig andere Tätigkeiten. Eine Alternative ohne Entfremdung wäre ein Grundeinkommen.
  • Rückschritt: Der Ansatz behindert Freie Musik (siehe unten).
  • Scherben-Kitt: Die Content-Flatrate dient dazu, das völlig kaputte Geschäftsmodell der Musikindustrie zu retten.

Bezug zum Thema

Ähnlich wie proprietäre Software dürfen proprietäre Musikstücke und Filme nicht ohne Genehmigung kopiert werden. Die Kulturflatrate verspricht daher eine Lockerung dieses Zustandes.

Der Vorschlag ist in seiner üblicherweise diskutierten Form jedoch keine Übertragung der Prinzipien Freier Software auf den Bereich Musik:

  • Die geforderte Lockerung bezieht sich nur auf das Kopieren und Verbreiten. Von öffentlicher Wiedergabe ist keine Rede.
  • Das Kopieren und Verbreiten soll nur für private Zwecke gestattet werden. (Diese Forderung ist in sich bereits irreführend, denn in einer „Tauschbörse“ werden die Dateien der Öffentlichkeit (also eben nicht privat) angeboten, und das Kopieren und Verbreiten unter Bekannten ist bereits jetzt legal! Vermutlich sind nicht-kommerzielle Zwecke gemeint.)
  • Das Verändern bleibt weiterhin verboten.

"Illegale" Remixe wie das graue Album von DJ Danger Mouse werden somit auch weiterhin nur im Verborgenen verbreitet und gespielt. Eine Bereicherung der Kultur entsteht durch die Kulturflatrate also nicht. Auch für Freie Musik bringt das Vorhaben keine Verbesserung. Im Gegenteil: die Zahlung der Zwangsabgabe wird vermutlich auch viele Prosumenten Freier Musik treffen, wodurch einer der Gründe wegfällt, sich mit dieser zu beschäftigen.

Im Hinblick auf die Frage, wie man die Prinzipien Freier Software auf andere Bereiche überträgt, wären also zumindest einige wesentliche Ergänzungen nötig:

  • Neben dem nicht-kommerziellen Kopieren und Verbreiten müsste auch die öffentlicher Wiedergabe ohne Gewinnerzielungsabsicht (auf nicht-kommerziellen Veranstaltungen, Webradios etc.) gestattet werden.
  • Bei der Aufteilung der Einnahmen sollte neben bei Verwertungsgesellschaften wie der GEMA registrierten Musikern auch die Freie Musik-Szene berücksichtigt werden.
  • Das Verändern und Samplen sollte zumindest unter gewissen Bedingungen (z.B. dass geänderte Versionen ihrerseits als Freie Musik lizensiert werden) erlaubt sein.

Selbst mit diesen Änderungen bleibt die Kulturflatrate auf den nicht-kommerziellen Bereich beschränkt, während Freie Software auch kommerzielle Aktivitäten erlaubt. Ohne diese Änderungen kann die Kulturflatrate allerdings eher als abschreckendes Beispiel, das zeigt, wie man es nicht machen sollte, angesehen werden.

Weitere Informationen

Siehe auch

Oekonux-Mails

Weblinks