Diskussion:Freiheit und Selbstentfaltung
Ich habe gerade erst die DVD vom Bergmann-Vortrag bei den "Tagen der Utopie" in St. Arbogast 2005 gesehen und finde ihn sehr sympathisch und charismatisch. Seiner Definition kann ich trotzdem nichts abgewinnen. Nichts ist unklarer und mehr der Interpretation unterworfen als "das Wesen" von irgendetwas und selten ist sich der Ausführende einer Handlung darüber klar. Man könnte auch leicht absurde Situationen als Gegenbeispiel erzeugen, etwa wenn ein Häftling politischer Umerziehung sich natürlich mit dem inneren Wesen seiner Gefangenschaft identifiert und somit in voller Freiheit handelt. Jeder Staat könnte sich als "vollständig frei" bezeichnen, solange er nur behaupten kann, dass sich seine Bürger voll mit ihm identifizieren. Wer wollte es solchen Staaten dann verdenken, dass sie schon im Kindergarten patriotische Lieder singen lassen und wesentliche Energien in die Indoktrinierung ihrer Staatsangehörigen stecken. Ich denke, das führt nirgendwo hin. Sicher nicht zu freien Systemen oder zur Klärung des Begriffs der Freiheit. -- HelmutLeitner 21.9.2006
- Im Artikel habe ich Bergmann so interpretiert: „Freiheit besteht also nur dann, wenn Menschen Möglichkeiten haben, herauszufinden, was sie wirklich wollen, und gemäß dieser Erkenntnis zu handeln.“ Diese Interpretation macht klar, dass das Gegenbeispiel nicht funktioniert, weil Indoktrination eben das Herausfinden dessen, was man wirklich will, unmöglich macht. --Christian 16:17, 22. Sep 2006 (CEST)
Alternativangebot: "eine Handlung ist frei, wenn der Handelnde (1) mehrere, zumindest zwei Handlungsalternativen hatte (2) seine Entscheidung unter Abwägung eigener und fremder Interessen selbst getroffen hat und (3) keinem wesentlichen Zwang ausgesetzt war. Ergänzung: Als Zwang wäre auch anzusehen, wenn jemand nur vorgegeben Alternativen hat, wählen muss (also das Nichts-Tun keine Option ist), oder die Suche nach anderen, selbstgestalteten Alternativen ausgeschlossen ist. Das lässt sich subjektorientiert abfragen und objektiv/diskursiv auf Plausibilität prüfen. -- HelmutLeitner 21.9.2006
- Nun diskutiert Bergmann ja ausführlich, warum es wenig Sinn macht, frei sein mit „aus einer Reihe von Alternativen auswählen können“ gleichzusetzen (die sich daraus ergebende Freiheit ist z.B. gleich 0, wenn man keine diese Alternativen will). Und dass das mit dem „selbst treffen“ so eine Sache ist, weil man ja immer mit anderen interagiert und somit von von anderen beeinflusst wird (und dass kaum etwas schlimmer wäre, als in einem Vakuum zu leben, wo es keinerlei solche Einflüsse gibt). Diese Hinweise auf die Widersprüche in den herkömmlichen Freiheitsdefinitionen sind es, denke ich, die Bergmanns Text spannend machen (und es geht mir sicher nicht darum, seine Freiheitsdefinition stattdessen als die „einzig wahre“ zu pushen – wie weit man mit ihr kommt, darüber muss ich mir auch erst noch klar werden). --Christian 16:17, 22. Sep 2006 (CEST)
- Christian, zum freien Auswählen unter Alternativen gehört auch die Möglichkeit zu sagen "ich will keine dieser Alternativen und wähle daher keine" oder "ich suche nach einer anderen Alternative". Ich werde versuchen, das oben zu ergänzen. --83.65.166.2 12:43, 25. Sep 2006 (CEST)
Die Definition von Helmut gefällt mir auch besser. Allerdings klingt in der Definition von Frithjof Bergmann an, dass bestehende unmittelbare Interessen (z. B. innerhalb eines Jobs) mit tiefer verankterten eigenen Interessen im Widerspruch stehen können (Dissoziation von Interessen). Das ist ein wichtiger Hinweis, den man nicht unter den Tisch fallen lassen sollte. -- Peppermint 22:37, 21. Sep 2006 (CEST)
- Peppermint, du hast völlig Recht. Ich wollte damit auch nicht ausdrücken, dass Bergmann damit etwas unwichtiges spezifiziert. Ganz im Gegenteil, geht es ihm doch - in anderen Worten - um eine "Handlung, die der Mensch ganzheitlich versteht und mit der er sich identifiziert". IMHO ist das wertiger als "frei". Ich würde das vielleicht als "nicht-entfremdete Handlung" bezeichnen. -- HelmutLeitner 22.9.2006